Warum du deine Schüchternheit akzeptieren solltest

Nachdem wir nun unsere Schüchternheit ausführlich erkannt und uns mit ihr beschäftigt haben, ist es an der Zeit, an ihr etwas zu verändern. Sich die Gründe für die Veränderung vor Augen zu halten, ist ein wichtiger Schritt. Als nächstes folgt, die eigene Schüchternheit zu akzeptieren.

Im letzten Beitrag habe ich Gründe erklärt, weswegen es positiv ist, mit der eigenen Schüchternheit umzugehen und sie damit schlussendlich zu überwinden. Nun fragst du dich sicherlich, warum ich jetzt plötzlich von „Akzeptanz“ spreche. Ich will doch weg von der Schüchternheit, also kann ich doch diese nicht einfach so akzeptieren?! Ist das nicht ein Widerspruch in sich? 

Das würde ich nicht sagen. Wir sollten uns von der beschränkten Sichtweise distanzieren, dass es immer nur ein „entweder“ „oder“ gibt. Lieber sollten wir uns für ein „sowohl als auch“ öffnen. Ich glaube, dass hinter diesem Missverständnis der Gedanke steckt, dass wir „Akzeptanz“ mit „Gut finden“ gleich setzen. Das stimmt aber so nicht.

Was bedeutet "Akzeptanz"?

Um also herauszufinden, was es damit auf sich hat, hilft es einen Blick auf das Wort „Akzeptanz“ selbst zu werfen. Etwas widersprüchlich mag vielleicht die Bedeutung des ursprünglichen lateinischen Wortes „accipere“ wirken, was für „gutheißen, annehmen, billigen“ steht. Es bedeutet, dass man etwas annimmt, hinnimmt und anerkennt. Aber ist es denn nicht falsch, seine Schüchternheit anzunehmen, wenn man doch eigentlich von ihr loskommen möchte? 

Im Gegenteil: ich halte es für wichtig, dass man die Schüchternheit zunächst einmal nicht als etwas ansieht, das man bekämpfen sollte. Denn in erster Linie ist sie doch ein Teil von uns und auch nicht gänzlich als negativ zu sehen. So wie all Persönlichkeitseigenschaften hat sie sowohl positive als auch negative Aspekte. Sie kennenzulernen und zu akzeptieren, hilft uns, mit ihr zurecht zu kommen. 

Es ist vergleichbar wie mit negativen Gefühlen: sie sind an sich gar nicht so negativ, sondern unsere Sichtweise lässt sie in einem negativen Licht erscheinen. Negative Gefühle wie Angst dienen nicht dazu, uns zu schaden, sondern uns zu schützen. Und so sollten wir es auch mit der Schüchternheit auffassen. 

Die Schüchternheit als Freundin

Stellen wir uns vor, die Schüchternheit wäre eine Freundin und möchte eigentlich nur das Beste für uns. Sie weiß, dass es schlechte Menschen gibt, vor denen sie uns schützen will, indem sie uns bewusst auf Distanz hält. Sie weiß, wie sensibel wir sind und möchte uns eigentlich nur vor jeglichen Verletzungen und Gefahren bewahren. Darum verleitet sie uns, soziale Situationen zu vermeiden. Sie sorgt sich um unser Wohlbefinden, möchte nicht, dass wir uns schlecht fühlen, weil wir etwas Fehler begangen haben, für die wir uns schämen.

Wir müssen uns bewusst machen, dass sich unsere Schüchternheit als eine Art Selbstschutzmechanismus entwickelt hat. Natürlich erscheint uns soziale Angst eher als Einschränkung und irrational, da die Angst nicht wirklich begründet ist. Doch wenn wir im sozialen Miteinander verletzt werden, was sehr oft vorkommt, tut es genauso wie ein physischer Schmerz weh, wenn nicht sogar noch mehr. Und davor will uns die Schüchternheit bewahren. Sie meint es nur gut mit uns, übertreibt es aber.

Und hier wieder die Analogie zu negativen Empfindungen: je mehr wir aber dagegen ankämpfen, desto größeren Widerstand leistet uns die Schüchternheit. Es ist auch so wie mit dem Einschlafen. Je mehr wir einschlafen wollen, desto schwerer fällt es uns. Wir halten zu sehr daran fest, verkrampfen uns daran. Stattdessen ist es besser, eine gelassene Haltung einzunehmen und loszulassen. Deswegen sehe ich es als einen schlechten Weg an, die Schüchternheit als Feind anzusehen und gegen sie zu arbeiten. Sie ist immer noch ein Teil von mir und ich denke, dass solange ich mit mir nicht im Reinen bin, positive Veränderungen ausbleiben.

Wie Negatives in Positives verwandelt wird

Es ist besser die Schüchternheit anzunehmen und zu akzeptieren und mit ihr zu leben, statt gegen sie zu kämpfen. Es kostet nicht so viel Energie, raubt uns nicht unsere Nerven und wir fördern damit einen positiven Umgang mit uns selbst. Abwertung und Ablehnung führen nicht unbedingt zu einer gesunden Persönlichkeit. Ich finde es besser, wenn wir unsere Schwächen und Fehler akzeptieren, denn wir sind eben nur Menschen, niemand ist perfekt. Sobald wir also unsere Schwächen akzeptieren, beginnen sie sich in etwas Positives zu verwandeln und wir können damit besser leben. 

Zurück zur Anfangsfrage: Ist es nicht eher hinderlich, die Schüchternheit zu akzeptieren, wenn ich sie doch überwinden will? Ich bin der Ansicht, dass es nicht möglich ist, die Schüchternheit vollkommen loszuwerden. Das ist auch gar nicht notwendig. Es reicht schon, sie in einem bestimmten Umfang zu halten und Kontrolle auf sie auszuüben, damit man ein schönes, glückliches Leben hat. Daher finde ich es unsinnig, sie irgendwie verschwinden zu lassen. 

Akzeptieren bedeutet nicht gutheißen

Ich finde im Wort „akzeptieren“ steckt nicht primär die Bedeutung, etwas gutzuheißen und dann nicht mehr verändern zu wollen. Man kann auch Dinge akzeptieren, ohne sie gut zu finden. Für mich ist entscheidend, erst einmal die Schüchternheit wahrzunehmen, zu erkennen und ihre Existenz nicht zu leugnen. Es gibt sie und damit muss ich leben. 

Im nächsten Schritt kann ich mich dann fragen, was gut an ihr ist. Auf die Vorteile und positiven Aspekte möchte ich in einem separaten Text noch ausführlicher eingehen. Jedenfalls sollte man sich bewusst machen, dass nicht alles schlecht ist, sondern es durchaus positive Seiten gibt, die man beibehalten kann. Das fördert schon von Anfang an das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. 

Es geht nicht darum, die Schüchternheit gänzlich zu beseitigen oder sie vollkommen zu akzeptieren und so zu lassen, wie sie ist. Erstrebenswert ist der Mittelweg, bei dem wir die Schüchternheit annehmen, aber sie auch nach unseren Vorstellungen anpassen, kontrollieren und verändern können. Die negativen Aspekte sind die, an denen wir arbeiten. Doch die positiven Seiten behalten wir bei.

Früher habe ich unter meiner Schüchternheit gelitten und einen regelrechten Hass zu ihr entwickelt. Ich habe sie als einen Feind personifiziert, habe sie wie einen Gegner bekämpft und dabei eigentlich mir selbst geschadet. Zwar bin ich nicht selbst meine Schüchternheit, aber sie ist eben nun einmal ein Teil von mir. Wenn ich sie also ablehne und abwerte, dann kritisiere ich auch einen Teil von mir. Das zieht einen schon sehr herunter und tut weh. Warum also nicht lieber die Schüchternheit annehmen und anerkennen. 

Akzeptanz schafft Ruhe und Energie

Stell dir vor, du nimmst deine Schüchternheit hier und jetzt wahr. Du spürst sie und konzentrierst dich nur auf sie. Du denkst an die positiven Eigenschaften und kannst ihre Sorgen dir gegenüber nachempfinden. Sie will nur das Beste für dich und nur beschützen. Du sagst dir selbst, es ist in Ordnung, schüchtern zu sein. Du bist so gut, so wie du bist, auch wenn du schüchtern bist. Wie fühlst du dich? Merkst du, wie dir ein Stein vom Herzen fällt? Fühlst du dich erleichtert? Merkst du wie all dein Schmerz, deine Trauer und Wut verschwindet? Du beginnst deine Schüchternheit zu akzeptieren. Frieden und Harmonie breiten sich in dir aus. Du merkst, wie jegliche Spannung von dir fällt. Ruhe erfüllt dein Innerstes. Du merkst, wie entspannend diese Gedanken und Gefühle sind. Es fühlt sich einfach viel besser an, als wenn du dir selbst Vorwürfe machst und deine Schüchternheit abwertest nicht wahr?

Die Schüchternheit zu akzeptieren, hilft dir gelassener zu werden und nicht mehr alles so verkrampft zu sehen. Du wirst automatisch ruhiger und entspannter. Indem du zur Ruhe kommst, fokussierst du dich auf das Wesentliche, statt dich deinen negativen Empfindungen zu widmen, die nur Chaos und Unruhe in dir hervorrufen. 

Wenn du also erst einmal die Schüchternheit annimmst, wirst du dich beruhigen und in dem Moment der Stille neue Energie tanken. Du verschwendest keine unnötige Energie, um gegen die Schüchternheit anzukämpfen. Du bist ja dann bereits mit ihr im Reinen und kannst die Energie, die du dadurch gespart hast, für deine eigentliche Veränderung verwenden.

Wie schon erwähnt, bedeutet das „Akzeptieren“ nicht, dass ich alles an meiner Schüchternheit gut finden soll. Aber die Schüchternheit per se als Negatives anzusehen, hilft dir nicht weiter. Besser ist es zwischen den „guten“ und den „schlechten“ Seiten der Schüchternheit zu unterscheiden. Es wird überhaupt immer wichtig sein, zu differenzieren und nicht alles in einen Topf zu stecken. Das Leben ist doch so vielseitig und komplex, so wie deine Schüchternheit auch.

Nachdem du also die guten Seiten erkannt hast, machst du dir dann bewusst, welche negativen Seiten es zu verändern gilt. Auf diese bin ich bereits in meinem vorherigen Beitrag eingegangen. Hier habe ich die Gründe genannt, weswegen es gut ist, die Schüchternheit zu kontrollieren.


Fazit:
Um an deiner Schüchternheit zu arbeiten, ist es also wichtig, sie erst einmal zu erkennen und sie zu akzeptieren. Denke daran, dass die Schüchternheit nicht nur negative Seiten an sich hat. Stelle sie dir als Freundin vor, die dich vor etwas Gefährlichem schützen will. Gehe in dich und sage dir selbst, dass du so gut bist wie du bist und die Schüchternheit auch positiv sein kann. Du wirst merken, wie entspannt und gelassen du wirst. Dadurch schöpfst du neue Energie, stärkst dein Selbstwertgefühl und kannst dann gelassener in deine Veränderungsprozess gehen.

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